1. AllgemeinesAn der Unterrichtsdemonstration von LdL im Französischunterricht nahmen elf Schülerinnen und Schüler der Klasse 9d des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums Metzingen (Klassengröße insgesamt: 28 Schülerinnen und Schüler) teil, die sich im 3. Lernjahr Französisch befanden (Französisch als 2. Fremdsprache) und bisher praktisch keine Erfahrung mit "Lernen durch Lehren" hatten. Außerdem lernten die Schüler Dr. Martin erst kurz vor der Unterrichtsdemonstration kennen, und es wurden keinerlei Absprachen getroffen (die Schüler wussten auch nicht, welcher Text zugrunde gelegt würde), so dass die LdL-Sequenz sowohl für Dr. Martin als auch für die Schülerinnen und Schüler völliges "Neuland" war. Als Textgrundlage für die LdL-Sequenz wurde der dialogisch aufgebaute Text der Lektion 3 B ("Oui, on a le moral.") aus dem dritten Band des Lehrwerks Découvertes (Série verte) des Klett-Verlages verwendet. Die an der Unterrichtsdemonstration teilnehmenden Schülerinnen und Schüler waren gebeten worden, ihre Lehrbücher mitzubringen. Sämtliche Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Tagung erhielten den Text als kopierte Tischvorlage, um die Unterrichtssequenz mitverfolgen zu können. Die Unterrichtsdemonstration dauerte etwa eine halbe Stunde. Dabei wurde keine
komplette Unterrichtsstunde durchgeführt, sondern es wurden (wie beim
"Microteaching" in der Referendarausbildung) Einzelsequenzen isoliert und
präsentiert. 2. Durchführung der UnterrichtsdemonstrationZu Beginn der Unterrichtsdemonstration wurden zwei Schüler bestimmt, die die Leitung der LdL-Sequenz übernehmen sollten und sich zu diesem Zweck an die Stirnseite der in Hufeisenform angeordneten Tischgruppe setzten. Anschließend erläuterte Dr. Martin das Programm der LdL-Sequenz, nämlich die Lektüre des dialogisch aufgebauten Textes einer Lektion aus dem Lehrbuch, wobei der Klassenraumdiskurs in französischer Sprache zu erfolgen hatte. Um die für diesen Klassenraumdiskurs erforderlichen Redemittel zur Verfügung zu haben, wurde den Schülern ein Blatt mit sogenannten "Expressions utiles" (entsprechend den englischen "Classroom Phrases") ausgeteilt und in einer ersten Phase gemeinsam besprochen. Die Schüler lasen dabei zunächst die entsprechenden Wendungen laut vor, wobei Dr. Martin die Aussprachekontrolle übernahm, und überlegten bei jeder einzelnen Wendung, ob und inwiefern sie für das Thema der Unterrichtssequenz relevant sei. Danach wurden die Redemittel in einer kurzen Phase der Partnerarbeit eingeübt. Nach dieser notwendigen organisatorischen Phase konnten die Schüler an die eigentliche Arbeit der Textlektüre gehen, wobei Dr. Martin (Bild) nach eigenen Angaben die Rolle eines "Regisseurs" übernahm, der die Arbeit an verschiedenen Stellen unterbrach, die Schüler-Interaktion ggf. nochmals wiederholen ließ und die Schüler zu einer methodischen Reflexion über ihre Tätigkeit anleitete, aus der sich wiederum eine Korrektur von Verhaltensweisen ergab. Zunächst wurde in mehreren Durchläufen die Verteilung der einzelnen Leserollen durch die beiden Moderatoren (Bild: Schüler im weißen Rahmen) eingeübt, wobei besonderer Wert auf die Qualität der Interaktion gelegt wurde: So sollte z. B. die Handlungsanweisung "X, tu es Lisa." durch nonverbale Kommunikation wie Blickkontakt, Gestik etc. unterstützt werden, und die von der Handlungsanweisung Betroffene musste explizit (z. B. durch die Antwort "Oui, d'accord.", die das akzeptierende Kopfnicken unterstützte) reagieren. In diesem Zusammenhang spielte das Einüben bestimmter Höflichkeitsrituale eine wichtige Rolle, dass nämlich z. B. Handlungsaufforderungen stets durch "s'il te plaît" unterstützt werden sollen. Nach anfänglicher Unsicherheit hatten die Schüler die dieser Sequenz zugrundeliegenden Prinzipien recht rasch internalisiert und gewannen zunehmend an Sicherheit im Umgang miteinander. Ein zweiter Schwerpunkt lag auf der Aussprachekorrektur der Lesenden durch die
Moderatoren der Unterrichtssequenz. Die hierfür zur Verfügung stehenden Redemittel auf
dem Arbeitsblatt der "Expressions utiles" wurden nach und nach eingeübt und
angewendet. Dabei ging es nicht nur darum festzustellen, dass eine
Schülerin oder ein Schüler einen Aussprachefehler gemacht hatte, sondern die Schüler
sollten in die Lage versetzt werden, eine Fehleranalyse vorzunehmen und diese auch zu
versprachlichen. Äußerungen des Typs "Stop, il y a une faute." sollten also
erweitert werden zu "Stop, il y a une faute: Il faut faire la liaison." und
ähnlichen Analysen, was zwar einen relativ einfachen Anschein hat, aber verschiedene
Denkprozesse voraussetzt: Zunächst muss der Fehler konstatiert und danach analysiert
werden. Schließlich erfolgt die adäquate Versprachlichung dieser Fehleranalyse, wobei
zugleich die Aussprachekorrektur erfolgt, die derjenige, der den Aussprachefehler gemacht
hat, umsetzen muss. Auch dies wurde mit den Schülern in mehreren Durchgängen
demonstriert, bevor die Schüler kurz Gelegenheit hatten, sich selbst zur
Unterrichtsdemonstration zu äußern. 3. Feedback-Runde der SchülerGrundsätzlich standen die Schüler der Methode "Lernen durch Lehren" sehr aufgeschlossen gegenüber und lobten vor allem die Rücknahme des Lehrers zugunsten einer stärkeren Aktivierung der Schüler, wobei natürlich auch deutlich wurde, dass der Konzentrationsgrad der einzelnen Schüler beträchtlich höher war als im lehrerzentrierten Unterricht. Der Umstand, dass man ständig "am Ball bleiben" muss, zeigt auch Auswirkungen auf den Geräuschpegel in der Klasse, der wie Dr. Martin aus seiner täglichen Unterrichtspraxis bestätigen konnte wesentlich geringer ist als unter "normalen" Bedingungen: Die Schüleräußerungen sind hauptsächlich sachorientiert. Im Zusammenhang mit der Lektüre des Textes kamen die Schüler auf ein grundsätzliches Problem zu sprechen: Was ist, wenn der Schüler aufgrund eigener Unkenntnis einen Fehler nicht erkennt und daher auch nicht korrigiert? In diesem Fall ist der Lehrer, der sich sonst im Hintergrund hält, als Informationsinstanz gefordert und kann helfend eingreifen. Das Problem der Grammatikeinführung, das in der vorausgehenden Diskussion aufgekommen war, wurde von einzelnen Schülern als nicht ganz gelöst empfunden. Dr. Martin verwies in diesem Zusammenhang auf seine eigenen Unterrichtserfahrungen, in denen das genannte Problem schon deshalb keine Schwierigkeiten mache, da ja die von den Schülern durchgeführten LdL-Sequenzen zuvor mit der moderierenden Gruppe besprochen würden und der Lehrer bei dieser Gelegenheit mit Tipps und Ratschlägen zur Seite stehen könne. © DBG-Web-Team 1998
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