Aufsatz erschienen
in: Pädagogik und Schulalltag 51 (1996) 3; Seite 317-324
Handlungsorientierter
Fremdsprachenunterricht (Französisch) mit der Methode
,Lernen durch Lehren'
Angelika Wittwer, Hannover
Neuorientierung des schulischen
Fremdsprachenunterrichts
Zahlreiche Publikationen, die sich
mit der Neuorientierung und Neuordnung des schulischen
Fremdsprachenunterrichts sowie den damit einhergehenden nötigen
Veränderungen in seiner Didaktik und Methodik befassen, sehen
neben dem effektiv gestalteten Aufbau der kommunikativen
Fremdsprachenkompetenz und dem übergeordneten Erziehungsziel der
Verständigung und Toleranz gegenüber Menschen anderer Sprach- und
Kulturgemeinschaften auch die Schulung von sogenannten
Schlüsselqualifikationen vor.
Mit diesem aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung stammenden
Begriff sind neue, übergreifende Qualifikationen gemeint, wie z.
B. die Fähigkeit zu lebenslangem Lernen und zum Wechsel sozialer
Rollen, zu Technikverständnis, Kreativität und
Planungsfähigkeit. Ebenso soll die Fähigkeit zur
Zusammenarbeit, zur Konfliktbewältigung, zur Mitverantwortung
und zur Leistungsfreude aufgebaut werden. Diese Fähigkeiten
sollen sozusagen lebenslang als Schlüssel zur raschen und
reibungslosen Erschließung von wechselndem Spezialwissen dienen.
Um den Fremdsprachenunterricht an den Bedürfnissen der heutigen
Zeit und den vorausgehend dargestellten Forderungen auszurichten,
müssen ihm folgende Prinzipien zugrunde liegen:
- Handlungs- und
Schülerorientierung
- ganzheitliches Lernen
- sprachliche Interaktion
- Förderung von Phantasie,
Kreativität, Autonomie des Lernens und von
Gruppenaktivitäten.
Die fremde Sprache soll im Kontext
und als Kommunikationsmittel gelehrt werden, das die Lernenden
aktiv und kreativ nutzen.
Die SchülerInnen sind Mitglieder einer sozialen Gruppe, die in
der Idealform handlungsorientierten Unterrichts in die Planung
und Durchführung von Lernprozessen einbezogen werden soll. Das
Curriculum - so wird gefordert - soll das Ergebnis einer gemeinsamen
Verhandlung von LehrerIn und Lernenden sein.
Dies ist - wie auch der nachfolgend kurz beschriebene
Erprobungsversuch gezeigt hat - aufgrund einer sinnvollen
linguistischen Progression im Fremdsprachenunterricht nicht
uneingeschränkt möglich. Wichtig ist aber, daß Lernprozesse
immer häufiger selbst zu Lerngegenständen werden, indem das
selbständige Lernen kontinuierlich geschult wird.
In diesem Zusammenhang spielt auch die Selbstbeurteilung der
Lernenden bzw. die Beurteilung durch den Lehrer oder die Lehrerin
als Orientierungs- und Lernhilfe eine große Rolle.
Alle diese zuvor beschriebenen Kriterien finden sich im
Unterrichtsprinzip 'Lernen durch Lehren', oft auch als Methode LdL
bezeichnet, wieder.
Der folgende Abschnitt soll diese Methode kurz beschreiben.
Die Methode ,Lernen durch Lehren'
Die Methode ,Lernen durch Lehren'
(im weiteren Text abgekürzt: LdL) wurde zu Beginn der achtziger
Jahre von Jean-Pol MARTIN, einem Gymnasiallehrer und
Fachdidaktiker an der Universität Eichstätt zuerst für den
Fremdsprachenunterricht entwickelt.
MARTIN definiert die Methode folgendermaßen: "Wenn Schüler
einen Lernstoffabschnitt selbständig erschließen und ihren
Mitschülern vorstellen, wenn sie ferner prüfen, ob die
Informationen wirklich angekommen sind und wenn sie schließlich
durch geeignete Übungen dafür sorgen, daß der neue Stoff
verinnerlicht wird, dann entspricht dies (idealtypisch) der
Methode ,Lernen durch Lehren ." (MARTIN 1989)
Mit seiner Methode wendet Jean-Pol MARTIN sich besonders an
LehrerInnen, die an der Regelschule unterrichten, an bestimmte
Lehrwerke, an festgeschriebene Lernzielkontrollen und zumeist an
den 45-Minuten-Unterrichtsstundentakt gebunden sind.
Dem Lehrer bzw. der Lehrerin ordnet MARTIN folgende Aufgaben zu:
- das Verteilen von
Arbeitsaufträgen an die Lernenden mit zeitlicher Vorgabe
- die Unterstützung der
Lernenden bei ihrer Vorbereitung sowie die Korrektur
ihrer schriftlichen Vorgaben bzw. Aussprache und
Intonation.
Die Aufgaben der Lernenden sind:
- die Übernahme des von der Lehrkraft auf
einer Karteikarte schriftlich erstellten
(Teil-)Stundenverlaufs zu Beginn einer Stunde
(einer/mehrere SchülerInnen)
- die Wiederholung der Inhalte
der vorangegangenen Stunde, das Aufrufen der
Arbeitsgruppen zur Darbietung neuen Stoffes und die
Lenkung der Übungsphase (ein Schüler/eine Schülerin)
sowie
- die mit der Lehrkraft
abgesprochene Hausaufgabenstellung für die Folgestunde.
SchülerInnen übernehmen als
Lehrfunktionen (auch Grammatik- und Wortschatzvermittlung),
müssen somit auch auf sprachliche Korrektheit achten,
vergrößern aber auch damit einhergehend ihren authentischen
Sprechanteil.
Auf diese Weise wird nach Ansicht MARTINS der sprachdidaktische
Zielkonflikt gelöst, in dem die sprachliche Korrektheit des
Grammatik-/Übersetzungsunterrichts dem besseren Sprachenlernen
in authentischen kommunikativen Situationen gegenübersteht.
Auch der lerntheoretische
Zielkonflikt, in dem die Fremdsprache zwar kognitiv z. B. mit der
Grammatik-/Übersetzungsmethode als System erfaßt, aber nicht
wie z. B. durch behavioristische Verfahren habitualisiert wird,
wird nach Meinung MARTINS gelöst. Für die Vermittlung des Stoffes
müssen ihn die Lernenden kognitiv angehen, machen ihn sich aber
im Unterrichtsgespräch durch ständige Verbalisierung
verfügbar.
Ausgehend von den Erfahrungsberichten des von MARTIN initiierten
bundesweiten Kontaktnetzes (Kontaktbriefsystem) - einer sehr
nützlichen privaten Fortbildung für KollegInnen aller
Schulformen und Unterrichtsfächer - hat die Verfasserin einen
Erprobungsversuch in einer 8. Realschulklasse (Realschule im
Schulzentrum Hannover-Ahlem) im Fach Französisch durchgeführt
und dabei das LdL-Unterrichtsprinzip leicht variiert eingesetzt.
Dieser Erprobungsversuch und die dabei erlebten Vor- und
Nachteile der Methode LdL sollen nachfolgend beschrieben werden.
Ein Erprobungsversuch mit der Methode
LdL in einer 8. Realschulklasse im Fach Französisch
Die Klasse 8bR der Realschule im
Schulzentrum Hannover-Ahlem besteht aus 28 SchülerInnen, von
denen 18 SchülerInnen das Fach Französisch gewählt haben. Von
den vier Wochenstunden werden zwei Stunden als Blockunterricht
erteilt.
Zum Zeitpunkt des Erprobungsversuchsbeginns stand die Lerngruppe
bei der Unterrichtseinheit 58 des Lehrwerks ,Ça va?' Teil 1
(Verlag Moritz Diesterweg) mit dem Titel ,On fait les courses'.
Die Teileinheit umfaßt die folgenden Themen und Inhalte:
Wortschatz |
Redemittel für das Einkaufen |
Grammatik |
1. Früchte (Auswahl)
2. Gemüse (Auswahl)
3. Backwaren (Auswahl)
4. Lebensmittel (Auswahl) |
1. Markt
2. Bäckerei
3. Lebensmittelgeschäft
|
1. Verben:
sortir
acheter
payer
2. Mengenangaben
|
Für die Erarbeitung der
Lerngegenstände war ein Zeitraum von ca. fünf Wochen
vorgesehen, an dessen Endpunkt eine Klassenarbeit stehen sollte.
Organisatorische Voraussetzungen
Bevor mit dem
Erprobungsversuch begonnen werden konnte, mußten einige
organisatorische Vorbereitungen getroffen werden. Diese
Vorbereitungen umfaßten sowohl die Bereitstellung von
entsprechenden Lern- und Arbeitsmitteln (z. B. Stifte,
Kartonposter, Folien, Tonbandkopien von Lehrbuchtexten,
Wörterbücher, den Themen entsprechende Zeitschriftenbilder,
landeskundliche Informationsbücher, frz. Realgegenstände aus dem Fundus der
Lehrerin u. v. m.) als auch unterrichtsorganisatorische
Vorbereitungen. Diese bestanden aus dem Sammeln von auf die
Klasse zugeschnittenen Tips für das Erklären von Vokabeln, dem
Erstellen einer Memorierhilfe für Verhaltensgrundsätze bei der
Gruppenarbeit sowie der Vorbereitung des Unterrichtsgesprächs zu
Beginn des Erprobungsversuchs über die Lerngegenstände, Ziele,
Methoden und das eventuell zu erstellende Endprodukt des
Unterrichts.
Zur schrittweisen Gewöhnung der Lernenden an die Arbeitsweise
der LdL-Methode setzte die Verfasserin bereits zu Beginn des 2.
Halbjahres der 7. Klassenstufe immer wieder LdL-Teilsequenzen
ein, wie z. B.
- Vorstellung eines zuvor mit
der Klasse zusammengefaßten Lektionstextes durch einen
oder mehrere SchülerInnen in der Folgestunde als
Wiederholung mit Hilfe einer Folie und des Projektors.
Geübt wurde so das Zeigen, das Kommentieren, der
Medienumgang und das Auftreten vor der Klasse allgemein;
- Ubernahme von kurzen
Vokabeleinführungen, Wiederholungen und Schreibübungen;
- Vorbereitung einer
Vokabelabfrage;
- Entwicklung von
wiederholenden Fragen zu einem Textteil;
- gegenseitiges Vokabelabfragen
am Stundenbeginn in Partner-/Gruppenarbeit;
- Durchführung der Korrekturen
von Übungen aus dem Arbeitsheft mit der Klasse;
- Herausarbeiten von
Schlüsselinformationen aus Grammatikkapiteln
(Grammatikbeiheft)/einer Textstruktur und deren
Darstellung an der Tafel u. v. m.
Für den dazu nötigen
Klassenraumdiskurs der SchülerInnen wurde der Lerngruppe zum
selben Zeitpunkt in Anlehnung an MARTINS Vorschläge eine
entsprechende Redemittelliste verfügbar gemacht. Bei der
Zusammenstellung der Liste wurde darauf geachtet, daß die
Lernenden miteinander reden können, die Lehrkraft also
weitestgehend im Hintergrund bleibt, bei Bedarf aber einbezogen
werden kann.
Besprechung der Inhalte, Ziele und
Vorgehensweisen
Am Beginn des
Erprobungsversuchs stand ein kurzes Unterrichtsgespräch über
die Inhalte, Ziele und Vorgehensweisen des zu erarbeitenden
Lektionsteils. Aufgrund des begrenzten Umfanges des vorliegenden
Erfahrungsberichts kann dieses Gespräch nicht ausführlich
beschrieben werden. Deshalb seien hier seine drei wichtigsten
Ergebnisse aufgeführt:
- das gemeinsame Bewußtmachen
und Überdenken der Inhalte und Ziele des
Lernstoffes;
- die gemeinsame Entscheidung
über das zu erstellende ,Endprodukt';
- die Entwicklung einer
,SchülerInnenideenbörse' zu den Verfahrensweisen bei der
Erarbeitung bzw. Vorstellung des Lernstoffes.
Aufstellen des Arbeitsplanes
Ausgehend vom
Lernstoffraster, den Lektionstexten sowie dem noch zu
ergänzenden Lernstoff (zusätzlicher Wortschatz bzw. Redemittel)
wurde nun der Arbeitsplan mit Zeit-, Themen- und Personenangaben
erstellt und im Klassenraum aufgehängt.
Der Erprobungsversuch bestand aus 20 Unterrichtsstunden. In 8
Stunden wurde jeweils vorbereitende Gruppenarbeit/Partnerarbeit
betrieben. SchülerInnen, die ihre Vorbereitungen bereits
abgeschlossen, mit der Lehrerin besprochen, vervollständigt und
korrigiert hatten, beschäftigten sich dann mit
lernstoffvertiefeder bzw. -erweiternder Freiarbeit. 8
Unterrichtsstunden wurden für die Lernstoffvermittlung durch die
SchülerInnen benötigt. Das einführende Unterrichtsgespräch
und die abschließende Befragung (Schülermeinungen) nahmen 2
Stunden ein. In den restlichen 2 Stunden wurde wiederholt bzw.
eine Klassenarbeit geschrieben.
Gruppenarbeit
In der Gruppen-
bzw. Partnerarbeit entschieden die SchülerInnen zusammen mit der
Lehrerin darüber, ob der von ihnen zu vermittelnde Lernstoff zur
Erreichung der Ziele ausreichend war oder noch ergänzt werden
sollte. Dies war in einigen Fällen nötig (z. B. bei den Obst-,
Gemüse- und Lebensmittelsorten bzw. den Mengenangaben).
Danach wurde besprochen, welcher Schüler/welche Schülerin die
Stunde mit der Wiederholung oder Hausaufgabenkontrolle einleitet,
wer neuen Lernstoff einführt, wer ihn mit der Klasse übt und
wer die Stunde beendet. Ebenso wurde vereinbart, wer die
notwendigen Medien - sofern nicht vorhanden - herstellt.
Abweichend von der Methode LdL nach MARTIN gab es also keinen
direkten Leiter der Stunde. Der Übergang von einer Phase zur nächsten
vollzog sich, indem der jeweilige Schüler/die jeweilige
Schülerin die nachfolgende Aktivität ankündigte.
Bei schwierigen Aufgaben ihrer Vorbereitungen (z. B.
Vokabeleinführungen und Angaben der Phasenübergänge in frz.
Sprache) halfen sich die SchülerInnen gegenseitig oder baten die
Lehrerin um Unterstützung.
Die Stundenvorbereitungen wurden von Lernenden in Kurzform
aufgeschrieben und mit der Lehrerin besprochen bzw. korrigiert.
Stundenaufbaukarte
Nach der
Besprechung und Korrektur der Vorbereitungen konnten die
jeweiligen SchülerInnen das Kärtchen mit dem endgültigen
Stundenablauf in frz. Sprache erstellen. Die Karte diente ihnen
zum einen als kleiner ,Wegweiser' durch die Stunde, zum anderen konnten
sie ihr auch die frz. Formulierungen für die Phasenübergänge
entnehmen (z. B. Aujourd'hui, on apprend ...; Ecrivez les mots
dans vos cahiers; Maintenant on joue ...).
Methodische Vorgehensweisen
Wie
vorauszusehen war, fiel es den meisten SchülerInnen trotz ihrer
vielfältigen Ideen schwer, methodische Vorgehensweisen für die
Lernstoffvermittlung zu entwickeln. Hier war die Hilfe durch die Lehrerin
besonders nötig. Im Zusammenhang mit dem Erprobungsversuch wurde
aber bereits ein kleiner, noch zu ergänzender ,Methodenkatalog'
für die Stundeneröffnungen, die Lernstoffeinführung und Übung angelegt, auf
den in Zukunft zurückzugreifen ist.
Das Endprodukt
Die Idee der
Zusammenstellung des Gelernten als eine Art Kurznachschlagewerk
mit dem Titel ,On fait les courses -Vocabulaire, structures et
informations' kam von den SchülerInnen, die an der
Schüleraustausch-AG teilnahmen. Das Nachschlagewerk, das von den
SchülerInnen außerdem kreativ ausgestaltet wurde, besteht aus
den frz. Bezeichnungen für eine Auswahl von Geschäften und Kaufhausabteilungen,
Redemittel für einen Einkauf, Informationen zu
Ladenöffnungszeiten, Obst-/Gemüsesorten, Backwaren und
allgemeine Lebensmittel.
Auf dieser ,Stoffsammlung' baute - in variierter Form - auch die
Klassenarbeit auf, die den Abschluß der Unterrichtssequenz
bildete.
Die Vorteile der Methode ldL
Handlungsorientierter
Französischunterricht im Sinne der Methode LdL beinhaltet
zahlreiche Vorteile, von denen nun einige dargestellt werden
sollen.
Einer der größten Vorteile ist sicherlich die gute
Kombinierbarkeit dieses Verfahrens mit anderen Verfahren wie
Projektunterricht, Freiarbeit und einzelnen Dimensionen
handlungsorientierten Unterrichts (BÖNSCH 1991).
Von den Erfahrungen während des Erprobungsversuchs ausgehend,
erwies sich vor allem der Zuwachs an Umgang mit der Fremdsprache
als vorteilhaft. Der größte Sprechanteil lag jetzt während der
Unterrichtsstunden bei den SchülerInnen. Sie haben - wenn auch
zuerst nur ansatzweise - gelernt, in der Fremdsprache über die
Fremdsprache zu sprechen, miteinander zu reden und mehr
fremdsprachliches Wissen zu gewinnen.
Neben der Vermehrung von fremdsprachlicher Kompetenz war ebenso
ein Zuwachs allgemeiner Kompetenzen durch LdL auszumachen. Die
anfängliche Angst, vor MitschülerInnen ,auftreten' zu müssen,
verschwand zunehmend. Ein Gewinn an Selbstvertrauen war die
Folge.
Auch wenn der Aufbau der methodischen Kompetenz der Lernenden am
Anfang sehr mühevoll war, konnten in diesem Bereich ebenfalls kleine
Fortschritte festgestellt werden. Es war für die Verfasserin
interessant zu beobachten, über welchen Ideenreichtum und über
welche Kreativität viele SchülerInnen verfügen. Diese oft
unentdeckten Fähigkeiten gilt es nun weiterhin zu nützen, da
sie sich sowohl fächer- und fachbereichsübergreifend als auch
für spätere berufliche Tätigkeiten einsetzen lassen bzw. zu
gebrauchen sind.
In diesem Zusammenhang muß ebenso der Vorteil der
Schülerkommunikation in der Gruppen- bzw. Partnerarbeit erwähnt
werden. Neben dem Miteinander- bzw. -Voneinanderlernen konnten
hier die Techniken des selbständigen Lernens und Erarbeitens
hervorragend trainiert werden. Da LdL Selbstgestaltung und
-bestimmung fördert, entspricht die Methode einem
fortgeschrittenen Demokratieverständnis und
Emanzipationsbewußtsein.
Auch der aktive Umgang mit Medien wurde zunehmend geschult, indem
mit Medien
etwas gelernt, mit ihrer Hilfe anderen etwas vermittelt und sie
auch zum Teil selbst gestaltet wurden.
Bei ihrer durchweg positiven Bewertung von LdL gaben die
SchülerInnen in der Befragung an, sie hätten es interessant
gefunden, als ,LehrerIn' aufzutreten und zu handeln. Der Wechsel in
die Lehrerrolle hat ihnen offensichtlich eine andere Sichtweise
dieser Rolle eröffnet, die sich auf das LehrerInnen/SchülerInnen-Verhältnis allgemein
sehr positiv auswirkt.
Für die Lehrkraft eröffneten sich umgekehrt Sichtweisen, die
zukünftig von der meist doch dominanten LehrerInnenrolle zum
helfenden, beratenden und auch beobachteten
Lehrer führen werden.
An allererster Stelle der positiven Erfahrungen mit LdL aber
stand für die Autorin ebenso wie für die Lernenden der Spaß am
Unterricht, den die Arbeit mit der Methode gebracht hat.
Viele KollegInnen können sicherlich die Erfahrung bestätigen,
wie schwierig es heutzutage oft bleibt, trotz eines großen Lehr-
und Lernmittelangebotes und der Anwendung verschiedenster methodischer
,Kniffe' den Unterricht so zu gestalten, daß er effektiv ist und
zugleich Spaß macht, ja sogar spannend ist. Die Arbeit mit LdL
hat dazu - wie auch die SchülerInnen fanden - einen sehr
wirkungsvollen Beitrag geleistet.
Konsequenzen, Grenzen und Nachteile von
LdL
Trotz aller Begeisterung darf
nicht verschwiegen werden, daß die Methode LdL auch
Konsequenzen, Grenzen und Nachteile mit sich bringen kann.
Das größte Problem bestand in der fehlenden
SchülerInnen-Methodenkompetenz und mangelndem Wissen verbunden
mit der noch unzureichenden Sprachkompetenz bei SchülerInnen des
mittleren Niveaus. SchülerInnen vergaßen teilweise Inhalte, die
nach der Korrektur durch die Lehrkraft in die Vorbereitung
aufgenommen wurden. Ebenso wurden schwierige Lernstoffabschnitte
häufig von Lernenden nicht als solche erkannt, was bei der
Vermittlung dann nicht bedacht wurde. Auch Fehler in der Syntax,
im Schriftbild und in der Aussprache bzw. Intonation traten auf.
Sie entstanden durch mangelnde Vorbereitung einiger
SchülerInnen. Derartige Fehler müssen im Unterricht sofort
korrigiert werden damit sie sich nicht einschleifen.
Mangels genügend Übung im sonstigen Unterrichtsalltag gingen
SchülerInnen teilweise mit Medien nur unzureichend um (bes.
Kassettenrekorder, THP/Folien), was sich bei ausreichenden
Erprobungsgelegenheiten jedoch bald bessern dürfte.
Anlaß zur Kritik bot bei der Stoffvermittlung durch die
Lernenden auch der weiterhin hohe Anteil von Frontalunterricht,
verbunden mit der Gefahr, ständig das Lehrbuch zu benutzen. Hier
muß - angeregt durch die Lehrkraft - für genügend Partner- und
Gruppenarbeit in frz. Sprache (z. B. bei Übungen) gesorgt werden.
Die vorbereitende Gruppenarbeit vollzog sich bei der
Erprobungslerngruppe problemlos. Bei anderen Lerngruppen können
aber sicherlich Unruhe oder Disharmonien entstehen bzw. einzelne
SchülerInnen
durch andere von der Arbeit abgelenkt werden, was zu
Verzögerungen im Zeitplan führen kann. Dies dürfte besonders
dann der Fall sein, wenn Lerngruppen nicht an Gruppenarbeit
gewöhnt sind.
Ein großes Problem stellte sich für die Autorin bezüglich der
SchülerInnenkommunikation in der Gruppenarbeit. Das Prinzip der
Einsprachigkeit wird hier durchbrochen, denn Lernende des mittleren Sprachniveaus
können diese Arbeit nicht in der Fremdsprache leisten. Dies mag
auch einer der Hauptgründe sein, warum sich weniger KollegInnen,
die ausschließlich dieses Niveau unterrichten, auf die
LdL-Methode einlassen wollen bzw. auch weniger entsprechende
Erfahrungsberichte darüber vorliegen.
Im Zusammenhang mit der Scheu, die Methode im eigenen Unterricht
erproben zu wollen, muß ebenso der dazu nötige größere
Zeitaufwand in Planung, Organisation und Durchführung des Unterrichts für
LehrerInnen und SchülerInnen erwähnt werden. Das erhebliche
Maß an zwar lohnender und zum Teil auch später entlastender
Mehrarbeit schreckt viele Interessierte ab, denn LehrerInnen sind
heute neben ihrer Lehrertätigkeit bekannterweise mit vielen
kräftezehrenden organisatonschen und sozialpädagogischen
Aufgaben belastet.
Perspektiven
Abschließend muß darauf
hingewiesen werden, daß die durch den Erprobungsversuch gewonnen
Erkenntnisse nicht als repräsentativ gelten können und durch
zusätzliche Erfahrungen auch in der Arbeit mit anderen
Lerngruppen erweitert und ergänzt werden müssen. Dies wird in
Zukunft geschehen, indem die Methode von der Verfasserin zuerst
weiterhin schrittweise in Teilbereichen des Unterrichts, im
Projektunterricht jedoch in ihrer vollständigen Form eingesetzt
werden wird.
Gerade für den Aufbau der Methodenkompetenz bei den
SchülerInnen ist diese Pädagogik der kleinen Schritte unerläßlich.
Geduld und Ausdauer von Lehrerin und SchülerInnen werden sich
aber nach Meinung der Autorin bei den weiteren Ergebissen
sicherlich auszahlen, wenn Lernende selbst schon nach wenig Zeit
zu solch erfreulichen Leistungen fähig sind.
Literatur
BÖNSCH. M.: Variable
Lernwege - Ein Lehrbuch der Unterrichtsmethoden. Paderborn 1991
MARTIN, J.-P.: Einige Grundgedanken zur Methode und zum
Kontaktnetz. Eichstätt 1989
GRAEF, R./PRELLER, R.-D. (Hrsg.): Lernen durch Lehren. Rimbach
1994
KollegInnen aller Unterrichtsfächer, die am
Kontaktbriefsystem interessiert sind, wenden sich bitte an:
Dr. Jean-Pol MARTIN
Universität Eichstätt
Fachdidaktik des Französischen
Ostenstr. 26-28
85071 Eichstätt
Angelika Wittwer, Dipl.-Pädagogin und
Realschullehrerin, Fachbereichskonferencleiterin für Sprachen an
der Realschule im Schulzentrum Hannover-Ahlem; Fächer: Englisch,
Französisch, Petit-Couronne-Str. 30, 30453 Hannover
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