Didaktischer Brief I In diesem Brief möchte ich schildern, wie ich im Anfangsunterricht in den ersten Monaten vorgehe (1). Da in dieser Phase die Text- und Grammatikpräsentationen nicht von den Schülern geleistet werden (2), konzentriere ich mich bei meinen Ausführungen auf den Übungskomplex. In meinem zweiten Brief werde ich mich schwerpunktmäßig mit der Textpräsentation durch die Schüler befassen und in meinem dritten mit der Grammatikdarbietung. Als Beispiel zu meinen Erläuterungen könnte ich jede beliebige Anfangslektion aus einem gängigen Lehrwerk herausgreifen; da Cours de base gerade auf meinem Tisch liegt (3), wähle ich dieses Buch, und zwar die Lektion 2. 1. Aufbau der Stunde Die Art und Weise, wie ich meine Stunden mit dem Lehrwerk strukturiere, ist absolut traditionell: ich stelle zunächst die neuen Wörter und den neuen Text vor, lasse den Text dann mit verteilten Rollen lesen, unter Umständen auch spielen, vielleicht wird im Anschluß die Grammatik erläutert und schließlich (oder auch zwischendurch) werden die Übungen durchgenommen. Die Originalität meines Modells liegt also nicht auf der Ebene des Stundenaufbaus, sondern auf der Ebene der Sozialformen, der Art und Weise, wie der Klassenraumdiskurs abläuft, der inhaltlichen Sprachsystemzentriertheit und der Betonung von sprachproduktivem Schülerverhalten. 2. Lesen des Textes mit verteilten Rollen Nachdem ich den Text und den neuen Wortschatz präsentiert habe, bitte ich einen Schüler, das Lesen des Textes mit verteilten Rollen im Plenum anzuleiten. Ich sage ihm: "René, dirige la lecture du texte, s'il te plaît." Zum Anleiten braucht der Schüler folgende Wendungen:
Während des Lesens, passen die anderen Schüler auf und korrigieren die Aussprachefehler. Damit sie intervenieren können, müssen sie folgende Ausdrücke beherrschen:
Generell gilt für den Klassenraumdiskurs, daß die Schüler jederzeit stoffbezogen intervenieren dürfen, allerdings auf Französisch. Da ihnen die Begriffe fehlen, müssen sie sich an den Lehrer wenden und fragen:
Wenn die Schüler dagegen eine Äußerung auf französisch nicht verstehen, sollen sie sich an den Lehrer wenden und fragen:
Auf diese Weise könne Sie ziemlich schnell (fast von Anfang an) den größten Teil des Unterrichts auf Französisch bestreiten. Und bitte: machen Sie sich nicht zuviel Sorge wegen eines eventuellen Zeitverlustes. Was Sie hier vermeintlich verlieren, machen Sie dadurch wett, daß Sie weniger zu wiederholen brauchen und daß die Motivation stets sehr hoch bleibt! Also, auch wenn Ihnen alles sehr langsam vorkommt und Sie den Eindruck haben, das zähe Vorgehen würde die Schüler langweilen, das Gefühl trügt. Intervenieren Sie bitte nicht zu oft, und nicht zu schnell! Das würde die Schüler entmutigen. Die Schüler brauchen Zeit zum Nachdenken, sie brauchen auch Zeit, um sich vom traditionellen Schema zu lösen und sich an die neuen Aktivitäten zu gewöhnen. 3. Lesen des Textes in Partnerarbeit Nachdem der Text im Plenum (vielleicht mehrmals) vorgelesen wurde, können Sie die Schüler ihn noch einmal in Partnerarbeit durchnehmen lassen, so daß wirklich jeder den Text mindestens einmal ganz vorgelesen hat. Die Frage der Partnerarbeit ist ein Problem der Güterabwägung: einerseits habe ich den Vorteil, daß die Schüler alle aktiv sind, was aus meiner Sicht sehr wichtig ist, andererseits kann es sein, daß Fehler gemacht werden, die niemand korrigiert und die sich festigen. Ich meine, man sollte weniger Angst vor Fehlern als vor Sprachlosigkeit haben. Grundsätzlich ist es günstig, wenn zumindest am Anfang Partnerarbeit für Übungsformen eingesetzt wird, bei denen nicht allzuviel falsch gemacht werden kann. Also z.B. auch zum Übersetzen von einfachen Texten, deren problematischen Strukturen vorher abgeklärt worden sind. 4. Der Übungsteil Auch die Durchführung der Übungen sollte von Anfang an von einem Schüler geleitet werden. Dazu braucht er folgende Redewendungen:
Damit die Mitschüler auf Fehler hinweisen können (sie sollen nicht gleich die Lösung angeben), müssen sie sagen können:
Später sollte man einführen, damit die Schüler sich gegenseitig präzise Fragen stellen können: comment écris-tu ".........." und die Buchstaben des Alphabets auf Französisch, damit die Frage beantwortet werden kann. Nachdem einige Übungen auf diese Weise im Plenum gemacht worden sind, können die restlichen in Partnerarbeit erledigt werden, aber Achtung: siehe oben die Hinweise zur Partnerarbeit. 5. Wortschatzlernen Es schadet nicht, wenn Wörter einfach mit Hilfe des Vokabelheftes gepaukt werden. Am besten geht es, wenn die Schüler in der Schule sich die Wörter in Partnerarbeit gegenseitig abfragen. Das ist für sie ökonomischer und macht mehr Spaß als zu Hause. Vielleicht kann man auch empfehlen, von Anfang an zu versuchen, die Partnerarbeit auf Französisch zu gestalten. Wenn der Lehrer immer wieder dazu anregt, dann werden die Schüler sich daran gewöhnen, bei Gruppenarbeiten miteinander französisch zu reden. 6. Grammatiklernen Das Auswendiglernen von Paradigmen, hauptsächlich also von Konjugationen, macht in Partnerarbeit mehr Spaß als zu Hause. Dadurch wird letztlich effektiver gelernt, und es wird Zeit gewonnen für anspruchsvollere Aufgaben. 7. Das Diktat als Übung Jeder Verlag gibt eine auf die Lehrwerktexte abgestimmte Diktatsammlung heraus. Ich gebe meine Sammlung einem Schüler und er diktiert den von mir gewählten Text. Zum Diktieren muß er über die folgenden Ausdrücke verfügen:
Die anderen Schüler brauchen folgende Wendungen:
Bei der Korrektur des Diktats wird benötigt:
und das französische Alphabet, damit die Schüler die Fehler an der Tafel beschreiben können 8. Abfragen (4) Am Anfang einer Stunde hole ich einen Schüler an die Tafel, damit er von seinen Mitschülern ausgefragt wird. Für seine Leistung gebe ich ihm aber KEINE Note. Auf diese Weise gewöhnen sich die Schüler daran, relativ harten Prüfsituationen zu begegnen, ohne die zusätzliche, durch die Benotung bewirkte Angst bewältigen zu müssen. Das Ausfragen hat also nicht die Benotung zum Zweck, sondern das Kontrollieren des Wissens. Dadurch können eventuell festgestellte Lücken geschlossen werden. Dadurch haben auch die Mitschüler keine Scheu, schwere Fragen zu stellen, weil sie wissen, daß es keine negativen Konsequenzen haben kann. In diesem Sinne ist das Ausfragen ein wichtiges Element zur Initiierung von Lernprozessen. Zur Notengebung halte ich Extemporalien, oder ich frage einen Schüler selbst aus. 9. Noch einmal zur Unterrichtsführung Am Anfang ist das Schwierigste herauszubekommen, wann man sich zurückhalten muß, und wann man intervenieren sollte. Die Schüler müssen spüren, daß einem nichts entgeht, insofern ist ein unausgesprochener, vom Lehrer ausgehender Druck schon sehr wichtig. Es ist besonders darauf zu achten, daß die Freiheit der Sozialformen nicht zu einem laxeren Arbeitsstil ausartet, sondern daß gerade die Freiheit zu einer unbeschwerten, intensiven Zuwendung zum Stoff führt. Insofern würde ich das in meinem Unterricht herrschende Klima folgendermaßen definieren: Soweit intensiv gelernt wird, ist alles erlaubt, aber für Abweichungen von den gemeinsam anvisierten Zielen ist kein Raum. Auf dieser Grundlage habe ich keine Disziplin- und Motivationsprobleme, die meinen Ansatz diskreditieren könnten. 10. Zeit zum Nachdenken, Zeit zum Sprechen Bitte achten Sie darauf, daß jeder wirklich Zeit zum Nachdenken hat, daß nicht gedrängt wird, wenn eine Antwort nicht sofort kommt, daß kein Schüler unterbrochen oder übersehen wird! Das ist sehr wichtig! Nur so ist die Motivation aller auf Dauer zu erhalten. Natürlich darf das Tempo nicht zu stark verlangsamt werden. Das ist eine Frage des Fingerspitzengefühls und des Konsenses mit den Schülern. 11. Ausblick (Textpräsentation durch Schüler) Bereits beim Text A der Lektion 3 könnte man behutsam versuchen, diesen Text mit Hilfe einer Folie oder Wandtafel von zwei Schülern vorstellen zu lassen. Allerdings muß man vorher die Aussprache mit ihnen genau geübt haben (5). Zur Präsentation durch Schüler eignen sich die Texte B und C der Lektion 2 weniger. Ich meine sowieso, daß die Textpräsentation durch Schüler am Anfang nur gelegentlich und bei besonders gut geeigneten Texten stattfinden sollte. Erst ab Lektion 11 habe ich fast alle Texte von Schülern präsentieren lassen. Mit der Grammatikpräsentation durch die Schüler fing ich erst im zweiten Lernjahr an (6). Schlußwort Ich würde mich freuen, wenn
ANHANG: EXPRESSIONS UTILES EN CLASSE
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